In unserem Leben gibt es immer wieder Zeiten, in denen wir spüren, dass etwas nicht mehr stimmt.
Wir nehmen ein Knarzen wahr, eine innere Leere, dieses Gefühl, dass unser Leben irgendwie unrund läuft. Wir spüren: Das Alte trägt nicht mehr und das Neue ist noch nicht da.
Es ist ein Gefühl, dass keine von uns gerne hat. Es fühlt sich so nach „dazwischenhängen“ an, danach, das eigene Leben nicht mehr unter Kontrolle zu haben (was wir in diesem Sinne vielleicht auch nie hatten, nur wird es uns jetzt schmerzlich bewusst). Einstige Pläne funktionieren in solchen Zeiten nicht mehr, was uns jahrelang (vielleicht Jahrzehnte lang) erfüllt hat, tut es nicht mehr.
Vielleicht meinen wir, es hinge mit dem Wetter zusammen, mit der Kollegin, die heute wieder schlecht drauf war, mit dem Partner, der am Morgen so nervig war oder mit uns, die vermeintlich nie zufrieden sein können.
Dabei hat das Phänomen einen Namen: Schwellenzeit. Zwischenzeit. Jene Zeit, in der wir auf der Schwelle stehen. Wo wir wissen, dass die alten Lösungen nichts mehr nützen und wir zugleich keine Ahnung haben, in welche Richtung unser Weg weitergehen will.
Ein inneres Aufbrechen
Diese Zwischenzeiten sind nicht besonders populär in unser Gesellschaft. Denn es scheint klar zu sein, in welche Richtung unser Weg zu gehen hat: immer vorwärts, Richtung Erfolg und nächstem Ziel. Meist fehlt uns das Bewusstsein dafür, dass es so etwas wie Schwellenzeiten überhaupt gibt. Und darüber, welcher Wert in ihnen steckt.
Für mich sind es Zeiten, in denen etwas aufbricht, sich innerlich wandeln und reifen darf, um dann mit neuer Kraft nach außen zu treten. Das ist auch die Krux an den Schwellenzeiten: Sie sind meist nicht äußerlich sichtbar. Niemand außer uns spürt, was in uns vorgeht.
Zeiten der Wandlung
Bei einer Schwangeren, da sehen wir, dass sie sich in solch einer Zeit der Wandlung befindet. Da ist ein Kind in ihr, das heranreift, Form annimmt und schließlich geboren wird. Zugleich wird die Frau durch diese Wandlung, diesen Geburtsprozess, als Mutter geboren. Auch vom Frühling kennen wir diesen Wandlungsprozess, wenn sich in den Pflanzen – für uns oft unsichtbar – alles bereit macht für einen neuen Zyklus, für einen nächsten Lebensabschnitt.
In jenen Zwischenzeiten sind das Ahnen, das Lauschen und nach innen Gehen groß, wohingegen es im Außen meist wenig gibt, was wir aktiv tun können. Vielleicht fällt es uns gerade deshalb auch so schwer, die Schwellenzeiten als solche zu erkennen und anzunehmen. Weil wir gewohnt sind zu tun und jene Zwischenzeiten uns zwangsweise zum Innehalten bringen.
Was will kommen?
Auf meinem eigenen Weg sind sie mir oft begegnet und begegnen mir immer wieder, jene Zwischenzeiten. Da war etwa die Zeit nach der Trennung von meinem Verlobten. Als Hochzeitspläne, bereits rausgesuchte Kleider und Hochzeitsorte plötzlich an Bedeutung verloren hatten. Ebenso wie unsere gemeinsame Wohnung, der damalige Wohnort und unsere Familienpläne. Damals stand ich gefühlt vor dem Nichts und der großen Frage: Was will kommen? Was jetzt? Das Alte, das so fest, so sicher und solide wirkte, gab es nicht mehr, Neues war noch nicht in Sicht.
Damals fühlte ich mich oft unglaublich verloren, bodenlos. Was mir half waren klare Rituale, Zeiten, die ich mir mit mir selbst nahm, Wanderungen, die ich in der Natur unternahm und Bücher wie Menschen, von denen ich mich stärkend begleiten ließ – sowohl privat durch Freundinnen als auch professionell durch Beratungen und Einzelsitzungen. Es war eine unglaublich herausfordernde Zeit, die mir sehr gezeigt hat, was mich trägt, wenn alles, an was ich bislang geglaubt hatte, zusammenbricht. Wenn kein Stein mehr auf dem anderen steht und alle Pläne über das, was kommen soll, fehlen.
Innehalten und lauschen
Was sie mir jedoch auch gezeigt hat, ist, wie wertvoll es ist, in dieser Zeit auszuharren. Zu lauschen, zu warten, keine vorschnellen Entscheidungen zu treffen. Damals ging es für mich vor allem um die Wohnortfrage. Ich wusste, ich wollte nicht im Norden Deutschlands bleiben, wo wir anderthalb Jahre zuvor hingezogen waren. Hier hatte ich keinen Freundeskreis und es fiel mir unglaublich schwer mit meiner Selbständigkeit Fuß zu fassen. Doch wo sollte ich hin? Ich hatte keinen Anhaltspunkt, irgendwie schien alles möglich und nichts.
Ich suchte nach Mehrgenerationenhäusern und Wohngemeinschaften, da mich beides faszinierte. Doch wo ich auch anrief oder hinschrieb – entweder waren sie voll oder wurden gerade gebaut. Damals schrieb ich auf, wie ich gerne wohnen würde: an einem See, mit Alpensicht, Menschen für einen nährenden Austausch in meiner Nähe, einer Möglichkeit, selbständig tätig zu sein, gutem ÖPNV-Anschluss (da ich ohne Auto unterwegs bin) und Einkaufsmöglichkeiten in der Nähe. Ich dachte dabei an den Chiemgau und den Chiemsee, wo ich mich zuvor auf einer Reise sehr wohlgefühlt hatte.
Anders als gedacht
Doch wieder: Nichts tat sich, nichts entstand. Bis ich einer Teilnehmerin meiner Onlineseminare nebenbei erzählte, dass ich gerade auf der Wohnungssuche war. Sie sagte: „Du, ich hätte da was am Bodensee. Ein Zimmer in einer Frauen-Hausgemeinschaft mit See- und Alpenblick.“ Das Zimmer wurde genau zu dem Zeitpunkt frei, zu dem ich im Norden meinen Teil der Wohnung bereits gekündigt hatte.
Aber ich konnte doch nicht einfach in den Süden ziehen! Über 1.000 Kilometer weg, an einen Ort, den ich erst einmal online auf der Karte suchen musste, um überhaupt zu wissen, wo er lag. Doch dann fand ich den Zettel wieder, auf dem ich aufgeschrieben hatte, wie ich gerne wohnen würde. Und ich stellte fest, dass die Beschreibung eins zu eins auf das Angebot vom Bodensee zutraf. Nur dass es eben der Boden- statt der Chiemsee war.
Vertrauen in den Fluss des Lebens
So fuhr ich zwei Wochen später in den Süden, schaute mir das Zimmer an und zog sechs Wochen später um. Noch heute staune ich, wie sich damals alles gefügt hat, ob privat, mit meiner Selbständigkeit oder dem neuen Wohnort.
In all dieser Zeit hat mich persönlich ein Herzens- und Kraftlied, das vom Vertrauen in den Fluss des Lebens singt, begleitet, dass ich wieder und wieder gesungen habe. Wann immer es mir schlecht ging, wann immer ich Zweifel hatte, sang ich es. Es wurde zu meinem kraftvollen Begleiter und half mich, zurück ins Vertrauen zu finden und auf der Schwelle stehen zu bleiben, solange nötig.
Nichtwissen zulassen
Im Rückblick sehe ich, wie wertvoll es war, mir diese Zeit zu nehmen. Mir zu erlauben, in diesem Raum des Nichtwissens zu stehen und genau das zuzugeben. Zuzugeben, dass ich keine Ahnung hatte, wie und wo es weitergehen sollte. Zuzugeben, dass ich Angst hatte, das ich neugierig war und manchmal alleine nicht weiterwusste. Mir Schatzkisten mit Büchern, Texten und Postkarten zu packen, die mich bestärkten. Mit Düften, die mich aus Löchern und Gedankenspiralen holten und wieder im Moment ankommen ließen. Mir Unterstützung und Hilfe zu holen, wenn ich merkte, dass mir der Berg vor mir zu groß wurde und ich mir jemanden an meiner Seite wünschte.
Vor allem auch: mich mit Menschen (Freundinnen und Freunden, in Frauenkreisen und vor allem auch professionell durch Coaches, Lebensberater und andere) auszutauschen, die um den Wert jener Schwellenzeiten wussten. Die wussten, dass sie existieren, sie selbst kannten und mir immer wieder den Wert gezeigt haben, den ich in solch einer Wandlungszeit finden kann.
Wertvolle Ernte
Was heute weggefallen ist, ist meine Angst vor der nächsten Schwellenzeit. Weil ich wieder und wieder erfahren haben, was Wertvolles entsteht, gebe ich diesen Zwischenzeiten Raum. Wie sehr ich aus der tiefsten Dunkelheit wieder ins Licht emporsteigen kann, bin ich wirklich bereit, alles gehen zu lassen, was mir und dem Leben nicht länger dient – ja, was das Leben ohnehin in solch einer Schwellenzeit von mir nimmt.
Ebenso habe ich erkannt, dass jene Schwellenzeiten unweigerlich zum Leben dazugehören. Dass sie die Zeiten sind, durch die wir wieder lebendig werden können, haben wir uns festgefahren. Und dass es die Zeiten sind, durch die der größte Wandel in uns überhaupt erst möglich wird – die uns schleifen und mit neuem Glanz weitergehen lassen, wagen wir es, bewusst durch sie hindurchzugehen und ihnen zu begegnen.
So kann ich dich durch deine Schwellenzeit begleiten
Mit Unterstützung durch eine persönliche Schwellenzeit zu gehen, kann so hilfreich sein, weil du vertrauensvoller, gestärkter und mit neuer Perspektive aus ihr herauskommst.
Gerne begleite ich dich durch deine persönliche Schwellenzeit: In der Begleitung in Krisen sind wir für drei Wochen, drei Monate oder sechs Monate zusammen unterwegs. Hier bekommst du wirklich langfristige, intensive Unterstützung durch deine Schwellenzeit hindurch.
Gab es ein konkretes Ereignis, das die Schwellenzeit ausgelöst hat, kann die Begleitung durch deine Schwellenzeit passend sein. Hier erlaubst du dir, dem Wandel in deinem Leben rituell den Platz zu geben, den er braucht.
Gerne berate ich dich auch, welches Angebot jetzt für dich passend ist.
Alles Liebe zu dir,
herzlich, Sabrina.
…. Und immer wieder hilft mir Rilke dabei, Schwellenzeiten zuzulassen und auszuhalten:
„Sie sind so jung, so vor allem Anfang, und ich möchte Sie, so gut ich es kann, bitten, lieber Herr, Geduld zu haben gegen alles Ungelöste in Ihrem Herzen und zu versuchen, die Fragen selbst liebzuhaben wie verschlossene Stuben und wie Bücher, die in einer sehr fremden Sprache geschrieben sind. Forschen Sie jetzt nicht nach den Antworten, die Ihnen nicht gegeben werden können, weil Sie sie nicht leben könnten. Und es handelt sich darum, alles zu leben. Leben Sie jetzt die Fragen. Vielleicht leben Sie dann allmählich, ohne es zu merken, eines fernen Tages in die Antwort hinein.“ (Rilke, 1903, aus Briefe an einen jungen Dichter).
Liebe Grüße und viel Geduld an alle, die gerade die Fragen leben und in die Antwort hineinleben! Melanie aus Much
Liebe Melanie,
wie schön! Von Herzen Danke dir fürs Teilen! Diese Zeilen begleiten mich auch schon lange und sind ebenfalls so wohltuend, erinnernd, nährend für mich. Danke dir, dass du sie hier eingebracht hast!
Herzlich,
Sabrina
Liebe Sabrina,
passend zu meinem aktuellen Gefühl wohltuende Worte.
Danke dir dafür!
Alles Liebe
Nina
Liebe Nina,
das freut mich 🙂
Herzensgrüße und eine gute Schwellenzeit dir,
Sabrina
Allerliebste Sabrina, wieder erwischst Du mich auf den Punkt. Ja. Ich bin auf der Schwelle, loslassen, verloren geben, freilassen…. gute Worte und FAUCH, ich hab die Nase davon voll. Wie wärs mit losgehen, aufbauen mich meinem Leben hingeben?
Nein. Wie festzementiert hocke ich ziemlich wütend- SEHR wütend und traurig auf meiner Schwelle herum und weiss NICHTS.
Wozu ist das gut?
Und ja, die Idee mich begleiten zu lassen mag ich, jedoch eines meiner großen Themen ist:
Ich habe gerade nicht NICHT das Geld für Coachingstunden.
So drehe ich mich im Kreis……
Schwellentanz puuuuhhhh ehrlich, es gibt wohligere Tänze!!!
Liebe Claudia,
wie gut kann ich dir mitempfinden! Ich kenne besonders die Ungeduld, die oft sehr präsent ist in jenen Schwellenzeiten. Gleichzeitig haben die Schwellen mich gelehrt, wirklich auf und in ihnen zu bleiben, weil der Wert, der mir geschenkt wird, gehe ich durch sie hindurch, so unendlich viel größer ist als all das, wozu sie mich herausgefordert haben.
Das Thema Geld ist ja immer wieder so eines, das uns auf unserem Herzensweg begegnen kann. „Ich habe kein Geld, um losgehen zu können. Ich brauche erst jene Ausbildung (die aber viel Geld kostet), um beginnen zu können“ und anderes. Ich habe auf meinem Weg ebenfalls gelernt, dass das, was jetzt wirklich wichtig und hilfreich für mich ist, immer möglich ist. Dass ich es mir ermöglichen kann. Manchmal habe ich mir Geld geliehen, dann etwas von Erspartem genommen, ein anderes Mal kam auf unerwarteten Wegen Geld herein, wenn ich es brauchte. Das ist das eine. Meine Erfahrung: Wenn ich wirklich will (und es das ist, was jetzt wirklich hilfreich für mich ist, wo ich ein lautes inneres „Ja“ spüre), finde ich Wege (oder sie mich). Immer.
Und natürlich gibt es auch andere Wege der Begleitung – du liest ja schon hier im Blog mit, vielleicht ist auch eines der Herzenswegbücher unterstützend für dich oder du hast noch ganz andere Formen der Unterstützung in Form von Menschen, Büchern, Orten, je nachdem.
Ich wünsche dir von Herzen ein gutes Sein im Vertrauen auf der Schwelle, von der du schreibst,
herzlich,
Sabrina