Verbunden mit dem Zyklischen

Sie formt lebensgroße Frauen und handschmeichlerkleine Göttinnen. Ist mit den Händen in der Erde ihres Gartens und im Ton in ihrer Keramikwerkstatt ebenso zuhause wie zwischen den Welten.

Bei ihr lässt sich die eigene Urne töpfern und das Eingebettetsein ins Zyklische über das Feiern der Jahreskreisfeste erfahren. Bei Regula Kaeser-Bonanomi (51), Keramikerin und spirituelle Handwerkerin, wie sie von sich selber sagt.

Im Januar 2018, an einem dieser verschneiten Wintertage, habe ich Regula in ihrem gemütlichen alten Haus im schweizerischen Münsingen bei Bern getroffen. Zu einem Besuch in ihrer Werkstatt und einem Gespräch über das Leben mit dem Zyklischen, das Wesen des Tons, ihr Verbundensein mit verschiedenen Welten, ihre Arbeit und den Weg dorthin.

*

Regula, du wirkst in deiner Arbeit und mit deinem Sein sehr eingebunden: zwischen Himmel und Erde, zwischen Leben und Tod – wie ein leichter, spielerischer Tanz. War das schon immer so?

Ich hatte schon immer den Kontakt zu anderen Welten. Ich glaube, das war auch ein Grund, warum ich mich für die Keramikausbildung entschieden habe – weil sie mir die nötige Erdverbindung gegeben hat.

Meine spätere, schamanische Ausbildung wiederum hat mir die Werkzeuge gegeben, die Zugänge, die ich habe, bewusst zu nutzen.

Bei Regula in der Keramikwerkstatt

Oft steht am Anfang eines Weges ein Initialpunkt. Etwas, das uns auf den Weg bringt. Gab es so etwas bei dir?

Ja. Als ich 20 Jahre alt und gerade schwanger war, hat eine Freundin von mir Suizid begangen. Das war der Beginn meiner Suche. Es gab nichts, was mich in dieser Zeit getragen hätte. Die Kirche hatte keine Antworten, ich fühlte mich alleine und begann zu forschen.

Heute spüre ich, dass ich eine bin, die den Tod als dazugehörig erlebt. Die weiß, dass Leben und Tod zusammengehören. In diesem Verständnis haben mich besonders auch die Jahreskreisfeste mit Ursula Seghezzi geprägt, die ich zwei Jahre mit ihr auf der Rigi in der Schweiz gefeiert habe und seither alleine oder mit anderen feiere und mit denen ich heute selbst Menschen begleite.

Was können wir als Menschen aus dieser natürlichen Verbindung von Leben und Tod, aus diesem Zyklischen, das sich so sehr durch deine Arbeit webt und ausdrückt, lernen?

Für mich ist der Kreis erst durch Leben und Tod in Verbindung miteinander rund, so wie Einatmen und Ausatmen zusammengehören.

Ich erlebe das sehr in der Arbeit mit dem Ton: aus dem Ton wird ein Wesen geformt, das, wenn es wieder mit Wasser in Berührung kommt, zu Schlamm wird, den ich trocknen lasse bis ich ihn wieder kneten kann, so dass er wieder zu Ton wird, aus dem wieder ein Wesen geformt werden kann und so weiter. Dieses Zyklische mag ich sehr an der Arbeit mit Ton.

Und das Leben bekommt mehr Facetten, erlauben wir uns, alles zu leben – Freude und Schmerz, Leben und Tod.

Göttinnen – bekannte und durch Regula neu entstandene. Geformt aus Ton und gebrannt.

Was fasziniert dich an dieser Arbeit, die Himmel und Erde verbindet – wenn sich das so sagen lässt?

Schon während meiner Keramikausbildung mit 18 Jahren habe ich zarte Federn getöpfert und ich habe sie „Botinnen zwischen Himmel und Erde“ genannt. Für eine Serie aus Tassen und Tellern habe ich Kinder gefragt „Kennst du einen Engel?“ und sie gebeten, ihn zu malen.

Unsichtbares sichtbar zu machen, das war schon immer meins. Qualitäten – wie die alte Mutter Erde – zu Skulpturen zu formen, ihnen durch den Ton einen Ausdruck zu geben, das tue ich häufig in meiner Arbeit. Es ist eine Freude an der Verbundenheit mit den Welten, die meine Arbeit prägt. Es sind Glücksmomente der Verbundenheit.

Das Etikett zeigt, bei welchen Seminaren und Jahreskreisfesten der Ton schon mit dabei war.

Was bedeutet dir die Arbeit mit dem Ton?

Der Ton ist Mutter Erde. Die Arbeit mit ihm ist für mich eine Möglichkeit, mich mit meinem Ursprung zu verbinden, einzutauchen in eine tätige Meditation. Er ist ein wunderbares Medium: Brenne ich ihn, bleibt die Form, brenne ich ihn nicht, verwandelt er sich wieder aus der Form zurück zu Ton.

Der für mich wertvollste Ton, mit dem ich arbeite, ist oft schon durch viele Frauenhände – etwa in Seminaren und Ausbildungen – gegangen. Die Regenerationskraft des Tons schätze ich. Er hat etwas Archaisches, Heiliges, Lebendiges an sich, ist ein lebendiges Wesen für mich. Einerseits hat er ein Gedächtnis, andererseits verkörpert er die Verwandlungskraft.
So wie ich glaube, dass das Gehen im Jahreszyklus mich wandelt, traue ich auch dem Ton diese verwandelnde Kraft zu. Und er trägt eine uralte Heilkraft in sich, die uns darin unterstützen kann, etwas in uns heilsam zu verwandeln.

Andere Menschen haben vielleicht eine besondere Beziehung zu Tieren oder Kräutern, für mich ist das der Ton.

Beginnt sie etwas Neues oder beendet etwas Altes, räuchert Regula.

Du sprichst von dir selbst als spiritueller Handwerkerin – warum?

Es gibt das Kunsthandwerk, das die Motivation hat, Kunstwerke zu schaffen. Das trifft auf mich nicht zu. Meine Motivation ist die Spiritualität, das Sichtbarmachen des Unsichtbaren. Und ich erschaffe meine Werke von Hand, so bin ich Hand-werkerin.

Was hat sich für dich dadurch verändert, dass du begonnen hast, deinen eigenen Weg zu gehen?

Ich war schon immer irgendwie neben dem Mainstream, hatte schon in der Schule das Gefühl, nirgendwo recht dazuzugehören. Durch meine Arbeit mit dem Ton und mein Verbundensein mit dem Zyklischen, habe ich heute das Gefühl, dazuzugehören. Nicht zum Mainstream, aber zu einem großen Ganzen.

Mich macht es glücklich, an diesem, meinem ureigenen Platz – der nicht gesellschaftlich vorgeschrieben ist und den niemand außer mir gewählt hat – zu wirken. Die sichtbare und die unsichtbare Welt zu verbinden, damit auch anderen Wesen die Möglichkeit zu geben, sich durch mich auszudrücken.

Auch: In dem Rahmen, den ich mit meinen Seminaren und Angeboten biete, Frauen zu unterstützen, sich wieder zu finden. Dadurch, dass ich mich inzwischen allen meinen Teilen und Talenten zugewandt habe, kann ich auch andere Menschen ermutigen, ihre zu finden.

Ich finde: Es lohnt sich, das Ureigene zu suchen und zu manifestieren. Denn von hier aus kann ich agieren und die Welt mitgestalten, mehr als wie wenn ich an einem Platz bin, der mir nicht entspricht. Das ist nicht egoistisch für mich, sondern vielmehr ein Schritt dahin zu kommen, allen Welten wirklich zu dienen.

“gamla moder jord” – die alte Mutter Erde fraugroß

Wenn du Frauen, die vielleicht gerade auf der Suche nach sich und ihrem Weg sind, etwas mit auf dem Weg geben würdest, was wäre das?

Einen Klumpen Ton. Vielleicht können sie darüber ihren eigenen Zyklus erfahren und einen Teil ihres Weges finden. Oder vielleicht können sie damit – wie manchmal auch ich – ihr ureigenes inneres Bild hervorbringen und darüber staunen.

Danke dir, liebe Regula, ganz herzlich für deine Zeit und unser Gespräch!

Herzlich für heute,
Sabrina.

8 Kommentare

  1. DREISSIG Speichen treffen die Nabe,
    Die Leere dazwischen macht das Rad.
    Lehm formt der Töpfer zu Gefässen,
    Die Leere dazwischen macht das Gefäss.
    Fenster und Türen bricht man in Mauern,
    Die Leere damitten macht die Behausung.
    Das Sichtbare bildet die Form eines Werkes.
    Das Nicht-Sichtbare macht seinen Wert aus.

    In: LAOTSE, TAO TE KING. Das Buch vom Weltgesetz und seinem Wirken.
    Wiedergabe des chinesischen Textes durch Walter Jeven,
    Erstes Buch, XI

    Danke der Töpferin! Mit herzlichen Grüssen, Max

  2. Liebe Sabrina,
    oh ja!! es ist so wichtig, dass wir uns wieder erinnern an das Zyklische, uns wieder einbinden in das Werden und Vergehen und somit in das ewige Sein!! Danke für das inspirierende Interwiev! Und danke für dein Wirken! So schön, dass wir auch über Entfernungen hinweg miteinander verbunden sind. Und danke auch an Regula für dein Wirken. Bei Ursula Seghezzi habe auch ich in den vergangenen 2 Jahren eine Ausbildung in Naturcoaching und Ritualbegleitung gemacht. So fühle ich mich auch mit dir im Wirken verbunden! So schön, zu wissen, dass es an so vielen Orten tolle Frauen gibt!!! Alles Liebe zu euch, Sabine

    • Liebe Sabine,

      oh ja, darin steckt auch für mich immer wiedre ein besonderer Wert! Unsere Wertschätzung für einander sichtbar zu machen, auszudrücken – und auch Netze, in denen wir verbunden sind, sichtbar zu machen. Um oftmals zu staunen, zu sehen, zu erinnern, wie sehr und vielfältig wir doch alle miteinander verbunden sind!

      Herzlich,
      Sabrina

  3. ….so ein schönes Interview…herzlichen Dank, liebe Sabrina und liebe Regula !

    Einen wunderbaren Sonntag wünsche in diese Runde
    Dagmar

  4. wow – liebe Sabrina! Was für ein Abenteuer! Vielen Dank für dein Engagement!
    Alles Liebe heute, Morgen und sowieso…
    regula

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